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Geschichtliches: Lancashire Cotton Famine

Als Lancashire Cotton Famine (auch Cotton Famine oder Cotton Panic, übersetzt etwa Baumwoll-Not) bezeichnet man die Phase einer extremen Depression der europäischen Textilindustrie in der Zeit von 1861 bis 1865. Da dieser gewaltige Einbruch vor allem die Textilindustrie im Nordwesten Englands und hier besonders die Region Lancashire traf, wird diese Krise in der Regel als Lancashire Cotton Famine bezeichnet.

Die Grundlage dieser Baumwoll-Verknappung kann man im direkten Zusammenhang mit dem US-Amerikanischen Bürgerkrieg 1861 bis 1865 sehen. In Europa setzte man vor allem auf die Baumwolle aus den USA, manche Maschinen liefen nur mit dieser Baumwolle. So gesehen waren die USA damals einer der Hauptlieferanten des Rohstoffs für die Textilindustrie. Mit Beginn der so genannten Sezessionskriege wurden die Baumwollexporte durch Blockaden sowohl der Union (Nordstaaten) als auch der Konföderierten (Südstaaten) praktisch komplett eingestellt.

Ein großes Problem war dabei, dass man gerade in Regionen wie Lancashire nicht nur primär auf die Textilindustrie setzte, sondern auch auf die Verarbeitung der US-Baumwolle. Nicht alle Firmen konnte ihre Maschinen kurzfristig auf einen Mix aus US-Baumwolle und Sea Island Wolle umstellen. Nachdem aus den USA praktisch nichts mehr kam, musste man sogar auf eher minderwertige indische Suratwolle umstellen. Die war weniger ergiebig und schlechter zu verarbeiten, was weniger Produktion bedeutete und damit weniger Erträge für die Arbeiter bedeutete.

Die Situation in den Textilzentren wurde bald sehr dramatisch, viele Firmen mussten schließen und eine Massenarbeitslosigkeit war die Folge. Angeblich war der Lieferboykott vor allem von Seiten der Südstaaten auch ein politisches Druckmittel, mit dem man Staaten wie England und Frankreich auf die eigene Seite ziehen wollte und so den Bürgerkrieg im eigenen Sinn zu Ende bringen wollte. Besonders in England ging die Rechnung jedoch nicht auf. Im Gegenteil, man zeigte sich über die Konföderierten sehr verärgert und eine Versammlung von Textilarbeitern im Dezember 1862 in Manchester beschloss ungeachtet der immer größer werdenden Not, die Union (also den Norden) in ihrem Kampf gegen die Sklaverei (und damit auch gegen die Südstaaten) zu unterstützen. Sie schrieben dazu sogar einen Brief direkt an Abraham Lincoln, welcher ihnen wiederum im Januar 1863 für ihre Unterstützung dankte.

Kommunale Maßnahmen, Public Work Act von 1864

Um die größte Not zu lindern, wurden bald kommunale Hilfsfonds gebildet. Die größten Funds waren das Manchester Central Committee und das Mansion House Committee of the Lord Mayor of London. Außerdem konnten die Ärmsten Gelder des Poor Law Amendment Act beziehen. Zudem versuchte man die Not mit lokalen Suppenküchen und Direkthilfen zu lindern. Ebenfalls beachtlich war das stellenweise große soziale Engagement einiger Firmenbesitzer, welche mehr oder weniger direkt notleidende Mitarbeiter zu unterstützen versuchten.

Ein gewisser Meilenstein war der Public Work Act von 1864. Ein Problem war, dass man nicht alle Menschen in bezahlte Arbeit hatte bringen können. Die Kommunen hätten theoretisch öffentliche Projekte schaffen können, es war ihnen jedoch nicht erlaubt selbst Geld für solche Maßnahmen aufzunehmen und damit indirekt die Leute in die kommunalen Projekte zu bringen und bezahlen zu können. Das wurde durch den Public Works Manufacturing Districts Act 1864, der im Juli 1863 Gesetzescharakter erhielt, geändert.

Die Kommunen konnten nun Geld für öffentliche Projekte vor Ort leihen und dadurch letzten Endes Leute für die Arbeiten bezahlen. In der Phase entstanden gerade in Lancashire etliche der heute noch erhaltenen großen öffentlichen Parkanlagen, außerdem wurden die oftmals völlig veralteten Abwasser- und Kanalsysteme erneuert, ebenso wurden neue Straßen gebaut (eine Straße im Rooley Moor hat heute noch den Namen Cotton Famine Road).

Auswirkungen der Cotton Famine

Für die besonders betroffenen Region in England hatte die Cotton Famine insgesamt zwar weitreichende Folgen, diese muss man im Nachhinein aber nicht nur als negativ bezeichnen.

Es kam im Rahmen dieser Krise zwar zu Unruhen, wobei aber nur der Aufstand von Stalybridge im März 1863 nennenswert war. Er breitete sich auch auf Orte wie Ashton, Hyde und Dukinfield aus. Insgesamt hielten sich solche Unruhen in Grenzen. In den Regionen selbst sorgten kommunale und staatliche Hilfsprogramme dafür, dass die Infrastruktur vor Ort oft erheblich verbessert wurde.

Ebenfalls verändert hatte sich das Gesicht der Industrie, nachdem 1865 die Geschäfte wieder aufgenommen wurden. Vor allem kleine Unternehmen waren weg vom Markt, überlebt hatten vor allem die großen und finanzkräftigen Unternehmen (bzw. einige besonders weitsichtige Unternehmer). Schon während der Krise trauten sich einige Betreiber an den Bau neuer Anlagen, später wurden durch Limited Companies modernere Anlagen hochgezogen. Das lief eine Weile ganz gut, aber spätestens nach dem I. Weltkrieg zeigte sich, dass man zumindest in einigen Regionen doch nicht ganz so viel aus der Krise gelernt hatte. Andere Regionen hatten hier etwas dazu gelernt und man versuchte schon früh zu diversifizieren bzw. auch nach neuen Geschäftsfeldern zu suchen. Recht erfolgreich war z. B. Stockport mit der Hutmacherei.

Nicht unerwähnt lassen sollte man die Auswirkungen in andern Ländern. Als Folge der Wollknappheit versuchte Großbritannien, den Anbau von Baumwolle vor allem in britisch kontrollierten Gebieten wie Britisch Indien, Ägypten aber z. B. auch auf Sizilien zu intensivieren. Nach dem Ende des US-Bürgerkriegs konzentrierte man sich jedoch schnell wieder auf die Baumwolle aus den USA und ließ die neuen Erzeugermärkte komplett fallen. Die Produkte dieser Regionen wurden nicht mehr nachgefragt, was dort wiederum zu großen Notlagen vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte.